Inhaltskontrolle von Scheidungsfolgenvereinbarungen
Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 27.05.2020 – XII ZB 447/18
In einer aktuellen Entscheidung erklärte sich der Bundesgerichtshof zu den Anforderungen an die Wirksamkeit von Scheidungsfolgenvereinbarungen.
In dem vorliegenden Fall hatten die Ehegatten in der Trennungsphase eine notarielle Vereinbarung zu den Scheidungsfolgen getroffen. Neben der Übertragung eines ideellen Miteigentumsanteils und einer erbvertraglichen Vereinbarung verzichteten die Beteiligten außerdem wechselseitig für den Fall der Scheidung auf Zugewinn- und Versorgungsausgleichsansprüche sowie auf jegliche nacheheliche Unterhaltsansprüche.
Konkret lag dem Bundesgerichtshof insbesondere der Ausschluss des Versorgungsausgleichs zur Überprüfung vor. Der Versorgungsausgleich wird nach den gesetzlichen Regelungen im Rahmen des Scheidungsverfahrens von Amts wegen durchgeführt, sofern keine Vereinbarung getroffen wurde. Der Ausgleich der Rentenanwartschaften ist der Gestaltung zwar grundsätzlich zugänglich, in diesem Teilbereich des Kernbereichs des Scheidungsfolgenrechts ist die Dispositionsfreiheit der Ehegatten allerdings beschränkt und der gerichtlichen Kontrolle unterworfen. Das Gericht hat zu prüfen, ob die privatautonome Abänderung gegen einen Ausgleich der dem anderen Ehegatten entstehende Nachteile erfolgte. Hier ist die konkrete Lebenssituation der Eheleute in den Blick zu nehmen und die Vereinbarung am Maßstab der Sittenwidrigkeit (§ 138 BGB) zu messen.
Diese Prüfung nennt man Ausübungs- und Wirksamkeitskontrolle. Sittenwidrigkeit wird dann bejaht, wenn die getroffene Regelung einen der Beteiligten evident benachteiligt und ein offensichtliches Ungleichgewicht herrscht.
Auf den Versorgungsausgleich konkret bezogen bedeutet das, dass Sittenwidrigkeit vorliegt, wenn er dazu führt, dass ein Ehegatte aufgrund des geplanten oder sogar bereits gelebten Ehetypus nur über eine unzureichende Altersabsicherung verfügt. Dies ist mit dem Gebot der ehelichen Solidarität nicht vereinbar. In der Folge kann ein Anspruch auf Vertragsanpassung bestehen, wenn die Beteiligten die Vereinbarung nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen hätten, hätten sie die Abweichung des geplanten von dem tatsächlich gelebten Ehetypus vorausgesehen. Nur einseitige Erwartungen sind insoweit allerdings unerheblich.
Im Rahmen des Scheidungsfolgenrechts bestehen vielfältige Gestaltungsmöglichkeiten. Für die Praxis muss die Entwicklung der Ehe- und Familiensituation jedoch im Blick behalten und einbezogen werden, sodass im Ergebnis ein gerechter Ausgleich für den Fall der Scheidung gewährleistet ist.