Wandscher und Partner Navigation

Arbeitnehmer bei „Arbeitsfähigkeit“ in der Beweispflicht

Wer infolge einer Erkrankung nicht arbeiten kann, hat grundsätzlich einen Anspruch darauf, dass der Arbeitgeber ihm bis zu einer Höchstdauer von sechs Wochen sein Entgelt weiter zahlt. Ein neuer Anspruch des Arbeitnehmers auf Entgeltfortzahlung von weiteren sechs Wochen entsteht erst dann, wenn der Arbeitnehmer 1. wieder arbeitsfähig war, 2. anschließend erneut krankheitsbedingt arbeitsunfähig wird und die Arbeitsunfähigkeits auf einer anderen Krankheit beruht. Wenn es sich bei der neuen Erkrankung jedoch um eine Fortsetzung der früheren Erkrankung handelt, kann der Arbeitnehmer hingegen keine erneute Entgeltfortzahlung beanspruchen.

D.h. zu Beginn der neuen Erkrankung muss die vorherige vollständig ausgeheilt sein. Denn sonst liegt ein sog. einheitlicher Verhinderungsfall vor, d.h. eine ununterbrochene Arbeitsunfähigkeit von mehr als sechs Wochen. Dann endet die Zahlungspflicht des Arbeitgebers nach sechs Wochen.
Der Arbeitnehmer muss die Voraussetzungen des Entgeltfortzahlungsanspruchs darlegen und beweisen. Ihn trifft, sofern bei wiederholter Arbeitsunfähigkeit ein erneuter Entgeltfortzahlungsanspruch geltend gemacht wird, auch die Darlegungs- und Beweislast für Beginn und Ende der Arbeitsunfähigkeit und eine zwischenzeitliche Wiedererlangung der Arbeitsfähigkeit.

Nach dem Grundsatz der Einheit des Verhinderungsfalls ist der Anspruch auf Entgeltfortzahlung auch auf die Dauer von sechs Wochen seit Beginn der Arbeitsunfähigkeit beschränkt, wenn während bestehender Arbeitsunfähigkeit eine neue Krankheit auftritt, die ebenfalls Arbeitsunfähigkeit zur Folge hat. In diesem Fall kann der Arbeitnehmer bei entsprechender Dauer der durch beide Erkrankungen verursachten Arbeitsverhinderung die Sechs-Wochen-Frist nur einmal in Anspruch nehmen. Ein neuer Entgeltfortzahlungsanspruch entsteht nur, wenn die erste krankheitsbedingte Arbeitsverhinderung bereits in dem Zeitpunkt beendet war, in dem die weitere Erkrankung zu einer erneuten Arbeitsverhinderung führt. Das ist anzunehmen, wenn der Arbeitnehmer zwischen zwei Krankheiten tatsächlich gearbeitet hat oder jedenfalls arbeitsfähig war, sei es auch nur für wenige außerhalb der Arbeitszeit liegende Stunden.
Das Landesarbeitsgericht Köln hat in einem Urteil vom 15.11.2016 in Umsetzung der Rechtsprechung des BAG (Urteil vom 25.05.2016 – AZR 318/15) entschieden, dass bei erneuter Erstbescheinigung der Arbeitsunfähigkeit der Arbeitnehmer beweisen muss, dass er zwischen den verschiedenen Erkrankungen arbeitsfähig war.

In dem vom Landesarbeitsgericht (LAG) Köln zu entscheidenden Streitfall bescheinigte der Hausarzt dem Arbeitnehmer am 03.07.2015, dass eine Arbeitsunfähigkeit für den 03.07.2015 bestehe. Dieser Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AUB) waren diverse AUB in ununterbrochener Folge bis zum 03.07.2015 vorausgegangen. Für das folgende Wochenende (Samstag, 04.07.15 und Sonntag 05.07.15) lag keine Bescheinigung vor. Erst am Montag, den 06.07.2015 stellte der Hausarzt dem Arbeitnehmer eine erneute AUB aus (zunächst bis zum 17.07.2015).
Da der Arbeitgeber ab dem 06.07.2015 keine Lohnfortzahlung mehr leistete, zog der Arbeitnehmer vor Gericht.

Dort erklärte der Hausarzt als Zeuge, dass er bei längeren Erkrankungen eine AUB routinemäßig immer bis zum Ende der Arbeitswoche (Freitag) bescheinigen würde. Am 03.07.2015 (Freitag) hätte er dem Kläger zwar die Beendigung seiner Arbeitsunfähigkeit bescheinigt, so der Arzt, ihn aber nicht mehr untersucht. Die letzte Untersuchung hatte der Arzt nicht etwa am 03.07.2015 vorgenommen (dem Tag der “Endbescheinigung”), sondern einige Wochen zuvor, nämlich am 18.06.2015. Der Kläger sei multimorbid, d.h. er leide unter verschiedenen Krankheiten. Die ab dem 06.07.2015 (Montag) bescheinigten Beschwerden dürften auch schon vorher bestanden haben, so der Arzt. Genaueres könne er hierzu nicht sagen. Er habe keine Feststellungen dazu getroffen, ob der Kläger bereits am Wochenende (am 04. und 05.07.2015) arbeitsfähig gewesen sei.
Die Vorinstanz, das Arbeitsgericht Siegburg, verurteilte den Arbeitgeber auf dieser Grundlage zur Lohnfortzahlung, da es zugunsten des Klägers davon ausging, dass er an den bei-den Wochenendtagen gesund gewesen war.

Das LAG hob das Urteil des Arbeitsgerichts Siegen auf und wies die Klage unter Berufung auf das BAG-Urteil vom 25.05.2016 (5 AZR 318/15) ab.
Nach Ansicht des LAG trug der Arbeitnehmer im Streitfall die Beweislast dafür, dass er an dem Wochenende vor dem 06.07.2015 arbeitsfähig war. Diesen Nachweis konnte der Arbeitnehmer hier nicht führen. Alle Indizien sprachen dafür, dass er auch schon am Samstag und Sonntag arbeitsunfähig war.
Fazit: Grundsätzlich kann sich ein Arbeitnehmer zunächst auf die Arbeitsunfähigkeit stützen, um den Beginn und das Ende der auf einer bestimmten Krankheit beruhenden Arbeitsunfähigkeit zu beweisen und darzulegen. Kann der Arbeitgeber jedoch gerichtlich Indizien vorbringen, dass die Krankheit bereits vor dem attestierten Beginn der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung bestanden hat und während der ersten sechs Wochen der Arbeitsunfähigkeit vorlag, dann ist der Arbeitnehmer am Zug. Er muss beweisen, dass eine neue Krankheit vorliegt und wann diese begonnen hat.