Arbeitsunfähigkeit durch entzündetes Tattoo – Keine Entgeltfortzahlung
Arbeitnehmer haben im Krankheitsfall grundsätzlich Anspruch auf Entgeltfortzahlung – allerdings nur, wenn sie die Arbeitsunfähigkeit nicht selbst verschuldet haben.
Das Landesarbeitsgericht (LAG) Schleswig-Holstein hat mit seinem Urteil vom 22.05.2025 entschieden, dass Arbeitnehmer, die sich freiwillig tätowieren lassen und dadurch arbeitsunfähig werden, keinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall haben (vgl. LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 22.05.2025, Az.: 2 Ca 278/24).
Sachverhalt:
Die im Bereich der Pflege beschäftigte Arbeitnehmerin ließ sich am Unterarm tätowieren. In der weiteren Folge kam es zu Komplikationen beim Heilungsprozess und die tätowierte Stelle entzündete sich. Die Arbeitnehmerin ist im Zuge dessen für mehrere Tage arbeitsunfähig geschrieben worden. Die Arbeitgeberin lehnte die Entgeltfortzahlung für diesen Zeitraum ab. Die Arbeitnehmerin argumentierte, dass sie nicht Entgeltfortzahlung für den Tätowierungsvorgang selbst geltend mache, sondern für eine davon zu trennende zeitlich nachfolgende Entzündung der Haut. Ein Verschulden sei ihr in diesem Zusammenhang nicht vorzuwerfen. Zudem habe sich ein sehr geringes Risiko, das nur bei 1 – 5 % der Fälle von Tätowierungen auftrete, verwirklicht. Tätowierungen seien als Teil der privaten Lebensführung geschützt und mittlerweile weit verbreitet. Die Arbeitgeberin hielt entgegen, die Klägerin habe bei der Tätowierung freiwillig und ohne Notwendigkeit in eine Körperverletzung eingewilligt. Das Risiko einer sich anschließenden Infektion gehöre deshalb nicht zum normalen Krankheitsrisiko und könne dem Arbeitgeber nicht auferlegt werden.
Das LAG Schleswig-Holstein ist der Argumentation der Klägerin nicht gefolgt und hat vielmehr festgestellt, dass die Arbeitnehmerin ihre Arbeitsunfähigkeit i.S.d. § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG selbst verschuldet hat. Nach dieser Vorschrift handelt ein Arbeitnehmer immer dann schuldhaft, wenn er in erheblichem Maße gegen die von einem verständigen Menschen im eigenen Interesse zu erwartende Verhaltensweise verstößt. Die Klägerin hätte bei der Tätowierung damit rechnen, dass sich ihr Unterarm entzündet. Dieses Verhalten stellt nach den Ausführungen des LAG einen groben Verstoß gegen das eigene Gesundheitsinteresse der Klägerin dar. Sie hat selbst vorgetragen, in bis zu 5 % der Fälle komme es nach Tätowierungen zu Komplikationen in Form von Entzündungsreaktionen der Haut. Es handelt sich somit nicht um eine völlig fernliegende Komplikation. Bei Medikamenten wird eine Nebenwirkung als „häufig“ angegeben, wenn diese in mehr als 1 % aber weniger als 10 % der Fälle auftritt. Zudem ist die Komplikation in der Hautverletzung durch die Tätowierung selbst angelegt.
Das LAG Schleswig-Holstein hat mit seinem Urteil die erstinstanzliche Entscheidung des Arbeitsgericht Flensburg (Az.: 2 Ca 278/24) bestätigt.
Das LAG hat die Revision zum Bundesarbeitsgericht nicht zugelassen.
Fazit:
Tätowierungen gelten als Ausdruck individueller Lebensgestaltung – auch im Berufsleben sind sie weitgehend akzeptiert. Wer sich freiwillig tätowieren lässt, muss das Risiko möglicher gesundheitlicher und finanzieller Folgen jedoch selbst tragen.