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Auch der Patientenwunsch rechtfertigt keine Fehlbehandlung

Dieses Fazit lässt sich einem aktuellen Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm vom 26.04.2016 (Az. 26 U 116/14) entnehmen.

Zugrunde lag der Fall eines Patienten, der sich zahnärztlich von 2008 – 2010 behandeln ließ. Der Patient wollte eine Krone überarbeiten und seine Frontzähne sanieren lassen. Der Zahnarzt erstellte zunächst einen ordnungsgemäßen Behandlungsplan und wollte den Patienten erst einmal wegen einer vorhandenen Störung der Kiefergelenke mittels einer Aufbissschiene behandeln und die Seitenzähne stabilisieren, bevor er den Patientenwunsch nach Frontzahnsanierung angehen könne. Dies wäre vom fachärztlichen Standard her, auch die richtige Vorgehensweise gewesen.

Der Patient verlangte aber den sofortigen Beginn der Frontzahnsanierung – weil er sich hiervon auch eine beachtliche kosmetische Wirkung versprach. Der Zahnarzt willigte schließlich ein und begann – verfrüht – die Frontzahnsanierung.

Infolge der Behandlung litt der Patient dann unter zu niedriger Bisshöhe und einer Kompression der Kiefergelenke, mit Schmerzen bei der Mundöffnung.

Er verlangte von dem Zahnarzt Schadenersatz wegen fehlerhafter Behandlung – und bekam in zwei Instanzen Recht.

Das OLG Hamm meinte -  nach Beratung durch einen medizinischen Sachverständigen – der Patient  habe unter einer Kiefererkrankung gelitten, die der Zahnarzt zunächst auch fachgerecht therapieren wollte. Hiervon habe er sich aber abbringen lassen und die notwendige Schienentherapie nicht im erforderlichen Umfang durchgeführt. Die endgültige Frontzahnsanierung habe er behandlungsfehlerhaft zu früh begonnen.

Verlange ein Patient eine Behandlung, die gegen medizinischen Standard verstößt, müsse ein Arzt dies ablehnen. Daher  könne sich der Zahnarzt nicht darauf berufen, dass der Patient ein Vorziehen der Frontzahnsanierung ausdrücklich verlangt habe. Selbst wenn man ein solches Verlangen unterstelle, verstoße die gewünschte Behandlung gegen den medizinischen Standard und habe vom Zahnarzt abgelehnt werden müssen. Auch eine eingehende ärztliche Belehrung über die möglichen Behandlungsfolgen legitimiere kein behandlungsfehlerhaftes Vorgehen. Der Arzt müsse bei dem bleiben, was er als den richtigen Behandlungsweg erkannt habe und hätte den Patientenwunsch zurückweisen müssen, weil das gewünschte Vorgehen aus medizinischer Sicht schlicht falsch war.

Auch  dieses Urteil zeigt: im Medizinrecht ist der Spezialist gefragt. Vertrauen Sie sich also einem Fachanwalt an, wenn Sie vor vergleichbaren Herausforderungen stehen.