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Beweiswert einer AU-Bescheinigung bei befristeten Arbeitsverhältnissen

Das Bundesarbeitsgericht hat im Jahr 2021 bereits entschieden, dass ernsthafte Zweifel an einer tatsächlichen Arbeitsunfähigkeit bestehen, wenn Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis kündigen und gleichzeitig eine AU-Bescheinigung bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses vorlegen.

Im Grundsatz hat eine AU-Bescheinigung die Funktion, dass der Arbeitgeber informiert wird, dass der Arbeitnehmer arbeitsunfähig erkrankt. Die AU-Bescheinigung muss keine Gründe oder Umstände der Erkrankung enthalten. Die Bescheinigung muss vom Arzt ausgestellt werden, sodass dadurch ein Vertrauen in die Echtheit erzeugt wird. In dem im Jahr 2021 entschiedenen Sachverhalt wurde zeitgleich mit der Kündigung des Arbeitnehmers eine AU-Bescheinigung vorgelegt, die mit der Restlaufzeit des Arbeitsverhältnisses endete. Dieses Vertrauen in die Bescheinigung ist dadurch erschüttert.

Gelingt es dem Arbeitnehmer nicht diese Zweifel in die Arbeitsunfähigkeit zu beseitigen, besteht kein Anspruch auf Entgeltfortzahlung.

Das Landesarbeitsarbeitsgericht Niedersachsen (LAG Urteil vom 22.02.2023, Az.: 8 Sa 713/22) hat jüngst in einer ähnlichen Fallkonstellation anders entschieden.
Die Klägerin war als Pflegekraftkraft befristet bei der Beklagten angestellt. In den letzten Wochen vor Ende des Arbeitsverhältnisses war die Klägerin fast durchgehend krankgeschrieben und hatte aufgrund von Ausgleichstagen und freien Tagen im Dienstplan keine Arbeitsleistung mehr erbracht. Der Arbeitgeber leistete aufgrund von Zweifeln an der Arbeitsunfähigkeit keine Entgeltfortzahlung für den letzten Monat der Tätigkeit. Die Arbeitnehmerin klagte und forderte die Entgeltfortzahlung vor dem Arbeitsgericht in Hameln.
Das Landesarbeitsgericht Niedersachen führt in seiner Begründung aus, dass in dem vorliegenden Fall keine vergleichbare Situation wie in dem genannten Urteil des Bundesarbeitsgerichts gegeben war. Ernste Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit aufgrund der Umstände lagen hier nicht vor.

Wochenlangen Krankschreibung vor dem Ende des Arbeitsverhältnisses begründet keine ernsthaften Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit

Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Niedersachen macht deutlich, dass es keine einfache Formel gibt, anhand derer zu beurteilen ist, ob ernsthafte Zweifel an einer Arbeitsunfähigkeit bestehen oder nicht. Wie so oft ist individuelle Gesamtbetrachtung vorzunehmen, die sämtliche Umstände des Arbeitsverhältnisses und der Krankheitszeiträume berücksichtigt.