Corona-Krise
Welche Entschädigungsansprüche gibt es?
In der aktuellen Corona-Krise tritt bei immer mehr Menschen zu der Besorgnis vor den gesundheitlichen Risiken auch die Sorge vor den wirtschaftlichen Folgen der behördlichen Eindämmungsmaßnahmen. Es stellt sich unter anderem die Frage nach Entschädigungsmöglichkeiten für aktuell entstehende Verdienstausfälle.
Nach den bislang geltenden Vorschriften des § 56 Abs. 1 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) kann Entschädigungsansprüche nur geltend machen, wer einen Verdienstausfall erleidet, weil er einem individuellen beruflichen Tätigkeitsverbot durch die zuständige Gesundheitsbehörde als sogenannter „Ausscheider“, Ansteckungsverdächtiger, Krankheitsverdächtiger oder sonstiger Träger von Krankheitserregern unterliegt. Das Gleiche gilt für Personen, die einer individuellen Quarantäne unterworfen sind. Diese Personen haben Anspruch auf volle Entschädigung für den erlittenen Verdienstausfall.
Die weit überwiegende Mehrheit der Bevölkerung ist solchen Maßnahmen bislang nicht unterworfen. Für sie gelten diese Entschädigungsvorschriften daher nicht.
Mit der in der letzten Märzwoche von Bundestag und Bundesrat verabschiedeten Änderung des Infektionsschutzgesetzes wurden die Entschädigungsansprüche jetzt aber wesentlich ausgeweitet. Mit Wirkung ab 30.03.2020 bis zum 31.12.2020 erhalten aufgrund des eigens eingefügten § 56 Abs. 1a IfSG alle Eltern, Pflegeeltern und sonstigen Sorgeberechtigten von Kindern unter 12 Jahren eine Entschädigung in Höhe von 67 % des entstandenen Verdienstausfalls. Ein entsprechender Anspruch besteht bei Betreuungsbedürftigkeit von Kindern im Alter von 12 Jahren und älter, die aufgrund einer Behinderung auf Hilfe angewiesen sind.
Voraussetzung ist, dass Einrichtungen zur Betreuung von Kindern oder Schulen von der zuständigen Behörde zur Verhinderung der Verbreitung von Infektionen oder übertragbaren Krankheiten aufgrund des Infektionsschutzgesetzes vorübergehend geschlossen oder deren Betreten untersagt wird und der erwerbstätige Sorgeberechtigte in diesem Zeitraum die Kinder selbst betreuen muss, weil er keine anderweitigen zumutbaren Betreuungsmöglichkeiten sicherstellen kann.
Die Entschädigung wird für einen Zeitraum von längstens 6 Wochen gewährt. Für einen vollen Monat wird höchstens ein Betrag von 2.016,- EUR gezahlt.
Ein Anspruch besteht nicht für Zeiten, in denen eine Betreuung aufgrund von Schulferien ohnehin nicht erfolgt wäre.
Eine Entschädigung wird auch nicht gewährt, soweit der Betroffene Arbeitslosengeld oder Kurzarbeitergeld erhält. In diesen Fällen geht der Anspruch auf die Bundesagentur für Arbeit über. Darüber hinaus gibt es verschiedene Anrechnungsregelungen, bspw. für Fälle, in denen der Arbeitgeber Zuschüsse gewährt oder der Arbeitnehmer trotz Schließung Arbeitsentgelte erwirtschaftet.
Arbeitnehmern ist die Entschädigung grundsätzlich für die Zeit von 6 Wochen vom Arbeitgeber zu zahlen. Der Arbeitgeber kann sich die an den Arbeitnehmer ausgezahlten Beträge auf Antrag von der zuständigen Behörde erstatten lassen. Selbständige müssen die Entschädigung stets direkt bei der zuständigen Behörde beantragen. Soweit eine Entschädigung für einen Zeitraum von mehr als 6 Wochen in Betracht kommt, ist ebenfalls ein entsprechender Antrag zu stellen. In allen Fällen ist zu beachten, dass der Antrag spätestens 3 Monate nach der den Verdienstausfall verursachenden Anordnung gestellt werden muss.
In Niedersachsen ist die Neuregelung seit dem 15.04.2020 relevant. Ein Schwerpunkt absehbarer Auseinandersetzungen wird auf der Frage liegen, ob ein Antragsteller im Einzelfall tatsächlich keine „Abhilfe durch anderweitige zumutbare Betreuungsmöglichkeit sicherstellen“ konnte.
Zu den neuen gesetzlichen Regelungen gibt es naturgemäß noch keine Gerichtsentscheidungen, die Orientierung bieten könnten. Es kommt nun auf die juristische Argumentation in der Auslegung und Umsetzung der neuen Gesetzesvorschriften an.