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Der Erbe kann unter Umständen die Stundung des Pflichtteils verlangen

Enterbte Abkömmlinge, Ehefrauen oder – wenn der Erblasser keine Kinder hatte – Eltern können von dem Erben den sogenannten Pflichtteil fordern. Der Pflichtteilsberechtigte ist mit der auf ihn entfallenden Pflichtteilsquote nicht unmittelbar am Nachlass beteiligt. Ihm steht ein Zahlungsanspruch gegenüber dem Erben zu.

Nur in den seltensten Fällen wird der Erbe diesen Zahlungsanspruch gerne und freiwillig erfüllen. Die meisten Erben werden die Pflichtteilszahlung als erhebliche Belastung empfinden. Für manche Erben kann die Pflichtteilslast sogar existenzbedrohende Wirkungen erreichen. Wenn beispielsweise der wesentliche Nachlasswert in der Wohnimmobilie des Erben besteht, kann die Verpflichtung zur Zahlung des Pflichtteils den Erben zwingen, sein Eigenheim veräußern zu müssen.

Gleichviel, wie hart der Erbe durch die Pflichtteilslast getroffen wird: Erlassen wird ihm der Pflichtteil in keinem Falle. Das Gesetz sieht allerdings in § 2331 a BGB vor, dass der Erbe die Stundung des Pflichtteils verlangen kann, wenn die sofortige Erfüllung des gesamten Anspruchs für ihn wegen der Art der Nachlassgegenstände eine unbillige Härte wäre, insbesondere wenn sie ihn zur Aufgabe des Familienheims oder zur Veräußerung eines Wirtschaftsguts zwingen würde, das für den Erben und seine Familie die wirtschaftliche Lebensgrundlage bildet. Die Interessen des Pflichtteilsberechtigten sind dabei angemessen zu berücksichtigen.

Das Oberlandesgericht Rostock hatte in einem aktuellen Fall nun über einen Sachverhalt zu entscheiden, in dem die Voraussetzungen für eine Stundung des Pflichtteilsanspruches augenscheinlich vorlagen. Auch hier bestand der Nachlass im Wesentlichen aus einem Wohnhaus. Bei Antragstellung wohnte die Erbin gemeinsam mit ihrem Ehemann und ihren fünf Kindern in der geerbten Immobilie. Diese hatte sie bereits mit einer Grundschuld belastet, um die Renovierung des Hauses finanzieren zu können. Sie beantragt, die Auszahlung des Pflichtteils bis 2024 zu stunden. Dann seien zumindest die Kinder aus dem Gröbsten heraus.

Allerdings bestand in dem vom OLG Rostock zu entscheidenden Fall die Besonderheit, dass die Erbin vor dem Erbfall in einem anderen eigenen Haus gewohnt hatte und sie erst nach dem Tode des Erblasser, ihres Großvaters, in dessen Immobilie eingezogen war.

In seiner Entscheidung (OLG Rostock, Urteil vom 20.06.2019, Az.: 3 U 32/17) stellte das Gericht klar, dass eine Stundung nicht in Betracht komme, wenn die Erbin die Nachlassimmobilie erst dadurch zu ihrem Familienheim macht, da sie aus ihrem bisherigen Familienheim auszieht und in die – renovierungsbedürftige – Nachlassimmobilie einzieht. Weiter stellte das Gericht klar, dass bei einer Stundung absehbar sein muss, dass die Auszahlung des Pflichtteils nach Ablauf der Stundung möglich wird. In dem zu entscheidenden Fall war nicht absehbar, dass sich die finanzielle Lage der Erbin so verbessern würde, dass im Jahre 2024 die Auszahlung ohne Veräußerung der Nachlassimmobilie möglich werden würde.

Weiter fand Berücksichtigung, dass die Pflichtteilsberechtigten, hier die Mutter und der Onkel der Erbin, bereits 59 bzw. 62 Jahre alt waren, sodass in der erforderlichen Abwägung der beiderseitigen Interessen eine Stundung auch insoweit als unangemessen erschien.

In dem berichteten Fall hat die Erbin voreilige Entscheidungen getroffen. Es lohnt sich für den pflichtteilsbelasteten Erben, rechtzeitig (!) juristische Beratung in Anspruch zu nehmen.