Wandscher und Partner Navigation

Der Kreuzungsräumer

„Communication Is Key“ gilt auch im Straßenverkehr

Der sogenannte Kreuzungsräumer
Wer kennt es nicht? Besonders morgens und gegen Feierabend füllen sich die Straßen und die Kreuzungen verstopfen. Da kommt es vor, dass man frohen Mutes bei Grün in eine Kreuzung einfährt, dort jedoch anhalten muss und es nicht mehr schafft, die Kreuzung zu verlassen, bevor der querende Verkehr Grün erhält. Man bleibt hängen und wird zum sogenannten Kreuzungsräumer. Eine unangenehme Situation. Es stellt sich die Frage: Wer ist bevorrechtigt – der Kreuzungsräumer oder der querende Verkehr? Und wer haftet, wenn es in einer solchen Situation zu einem Unfall mit Schäden kommt?

Was das Landgericht Essen dazu sagt
Darüber musste das Landgericht Essen mit Urteil vom 24.11.2022 (Az.: 16 O 116/21) entscheiden. In dem dort verhandelten Fall wollte ein LKW-Fahrer auf einer Kreuzung nach links abbiegen. Da in der Zielstraße jedoch ein Müllfahrzeug gestanden und den Weg versperrt hat, ist er auf der Kreuzung stehen geblieben. Er wurde zum Kreuzungsräumer. Der im Querverkehr fahrende Unfallgegner hat die Kreuzung trotz des Kreuzungsräumers bei Grünlicht passiert und ist mit diesem kollidiert.
Das Landgericht Essen hat entschieden, dass in solchen Fällen dem Kreuzungsräumer als Nachzügler grundsätzlich Vorrang gebührt, um die unfallträchtige Situation der verstopften Kreuzung zu entzerren. Der Querverkehr hat damit – trotz seines Grünlichts – grundsätzlich keinen Vorrang. Damit folgt das Landgericht Essen einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs aus dem Jahr 1976. Allerdings darf der Kreuzungsräumer nicht blindlings darauf vortrauen, dass er von dem querenden Verkehr vorgelassen wird. Um seiner eigenen Sorgfaltspflicht nachzukommen, muss er vielmehr vor Fortsetzung seiner Fahrt den einsetzenden Querverkehr beobachten. Dabei ist es zur Vermeidung eines Unfalls unerlässlich, dass sich die Beteiligten miteinander verständigen.

Und wer haftet für entstandene Schäden?
Kommt es zwischen dem Kreuzungsräumer und einem querenden Verkehrsteilnehmer – z.B. mangels Verständigung – zu einem Unfall, haftet in der Regel der querende Verkehrsteilnehmer alleinig oder überwiegend für die an den Fahrzeugen unfallbedingt entstandenen Schäden. Eine Mithaftung des Kreuzungsräumers kommt aber insbesondere dann in Betracht, wenn keine Kommunikation zwischen dem Kreuzungsräumer und dem querenden Verkehrsteilnehmer stattgefunden hat. Denn dann hat er sich nicht wie ein sog. Idealfahrer verhalten. Ein Idealfahrer hätte seine Fahrt nämlich erst fortgesetzt, wenn er – z.B. durch eine Verständigung mit dem querenden Verkehr – sichergestellt hätte, dass der querende Verkehr nicht anfährt. Da in dem vom Landgericht Essen entschiedenen Fall eine solche Verständigung zwischen den Beteiligten nicht stattgefunden hat, hat das Gericht eine Haftungsverteilung von 30:70 zugunsten des Kreuzungsräumers angenommen.