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Die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht

Zur Reichweite ungeschriebener Verhaltenspflichten.

Was sind Treuepflichten?

Auch außerhalb der ausdrücklichen vertraglichen Abreden bestehen Pflichten der Gesellschafter, deren Verletzung Schadensersatzansprüche gegenüber Mitgesellschaftern oder der Gesellschaft selbst auslösen können. Häufig fällt es schwer, die genauen Inhalte dieser sog. Treuepflichten konkret zu umreißen, da sie nicht gesetzlich normiert sind. Hierbei wird es bis auf Weiteres auch bleiben, da der Gesetzgeber jedenfalls im Personengesellschaftsrecht eine Regelung bislang ausdrücklich ablehnt.

In welchen Beziehungen bestehen Treuepflichten?
Es bereits umstritten, woraus die Treuepflichten der Gesellschafter herzuleiten sind, unstrittig ist lediglich, dass sie bestehen. Es wird ebenfalls unstrittig unterschieden zwischen solchen Treuepflichten, die zwischen dem einzelnen Gesellschafter und der Gesellschaft einerseits und unter den Gesellschaftern andererseits bestehen. Des Weiteren bestehen Treuepflichten der Gesellschaftsorgane, etwa des Geschäftsführers, der insbesondere die Pflicht hat, sich an die ihm im Innenverhältnis auferlegten Beschränkungen zu halten.

Fallgruppen
Die praktischen Beispiele, in denen gesellschaftsrechtliche Treuepflichten relevant geworden sind, sind vielzählig. Aus diesem Grund bietet es sich an, lediglich besonders relevante Konstellationen aufzuzeigen. Insbesondere kann es vorkommen, dass die Gesellschafter eine Pflicht trifft, einer Änderung des Gesellschaftsvertrags zuzustimmen, wenn dies erforderlich und dem einzelnen Gesellschafter zumutbar ist, so etwa dann, wenn in einer Personengesellschaft die Hinzunahme eines weiteren Gesellschafters erforderlich ist, um die anfallenden Aufgaben nach Erkrankung eines Gesellschafters angemessen bewältigen zu können. Außerdem höchst relevant ist die Fallgruppe der sog. Geschäftschancenlehre. Einem einzelnen Gesellschafter ist es regelmäßig verwehrt, Geschäftschancen der Gesellschaft für sich selbst zu nutzen.
Auch findet sich in der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht ein Instrument des Minderheitenschutzes, da sie Mehrheitsgesellschaftern verbietet, in grundlegende Interessen von Minderheitsgesellschaftern durch Mehrheitsbeschluss einzugreifen, obwohl ihnen dies formell möglich wäre.

Folgen des Verstoßes
Im Falle eines Verstoßes werden Schadensersatz-, aber auch Handlungs-, Duldungs- und Unterlassungspflichten ausgelöst. Praktisch wirket sich die Treuepflicht insbesondere so aus, dass Gesellschafter in der Abstimmung über einen Beschlussgegenstand unter Umständen nicht frei entscheiden können. Gesellschafter können verpflichtet sein, für oder auch gegen bestimmte Beschlussgegenstände zu stimmen.

Im Ergebnis ist festzuhalten, dass die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht aufgrund ihrer vielseitigen Ausprägungen in der Praxis und der kaum überschaubaren Rechtsprechung hierzu nur schwer handhabbar ist. Im Zweifel sollte rechtlicher Beistand hinzugezogen werden.