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Die Höhe des Restwerts im Totalschadenfall

Auch Gerichte liegen mal daneben – so wie hier das Landgericht Berlin

Die Bedeutung des Restwerts
Stellt der von Ihnen beauftragte Sachverständige nach einem fremdverschuldeten Verkehrsunfall fest, dass Ihr Fahrzeug einen – wirtschaftlichen oder technischen – Totalschaden erlitten hat, muss Ihnen der gegnerische Versicherer als Fahrzeugschaden den Wiederbeschaffungswert abzüglich des Restwertes erstatten. Der Restwert ist der Wert Ihres Fahrzeugs im beschädigten Zustand nach dem Unfall. Diesen Restwert erhalten Sie nach Verkauf des verunfallten Fahrzeugs vom Restwertankäufer. Unterm Strich haben Sie dann den gesamten Wiederbeschaffungswert in der Tasche.

Der maßgebliche Restwert ergibt sich aus dem Schadengutachten. Der Sachverständige bemisst diesen, indem er Ihr Fahrzeug in die Restwertbörse einstellt und so Restwertangebote für das verunfallte Fahrzeug einholt. Das höchste der so ermittelten Angebote bestimmt den Restwert.

Logischerweise hat der gegnerische Haftpflichtversicherer ein Interesse daran, dass Sie einen möglichst hohen Restwert für Ihr Fahrzeug erzielen, da der Versicherer dann wiederum einen geringeren Teil des Wiederbeschaffungswerts erstatten muss. Je höher der erzielte Restwert ist, desto geringer ist der von dem Versicherer zu erstattende Schaden.

Dies führt regelmäßig dazu, dass der gegnerische Haftpflichtversicherer ebenfalls ein Restwertangebot eines selbst ermittelten Restwertankäufers an Sie weiterleitet. Dieses Angebot ist in der Regel deutlich höher als das im Gutachten zugrunde gelegte höchste Restwertangebot.

Umgang mit einem höheren Restwertangebot des Versicherers
Das höhere Restwertangebot des Versicherers ist ab Erhalt des Angebots maßgeblich und – hinsichtlich der Höhe – bindend.

Haben Sie Ihr Fahrzeug vor Erhalt des höheren Restwertangebots des Versicherers zu dem im Gutachten angegebenen Restwert verkauft, ist das von dem Versicherer übermittelte Angebot unbeachtlich. Schließlich können Sie den höheren Restwert nach Verkauf des Fahrzeugs ja nicht mehr realisieren.

Haben Sie das verunfallte Fahrzeug zum Zeitpunkt des Erhalts des höheren Restwertangebots noch nicht verkauft, sollten Sie ihr Fahrzeug keinesfalls unterhalb des höheren Restwerts verkaufen. Da Sie durch Annahme des Angebots einen höheren Restwert erzielen können, muss der gegnerische Versicherer nur noch die Differenz zwischen dem Wiederbeschaffungswert und dem höheren Restwertangebot erstatten. Sollten Sie das Fahrzeug unterhalb des höheren Restwertangebots verkaufen, verstoßen Sie gegen Ihre Schadengeringhaltungspflicht und bleiben auf dem Rest sitzen.

Sie müssen nicht auf ein Restwertangebot der Versicherung warten
Anders als viele Versicherer – und auch das Landgericht Berlin im Urteil vom 17.08.2022 – 44 O 282/21 – meinen, müssen Sie jedoch nicht auf ein höheres Restwertangebot des Versicherers warten, bevor Sie Ihr Fahrzeug verkaufen. Sie können Ihr verunfalltes Fahrzeug also sofort nach Erhalt des Gutachtens zu dem Restwert verkaufen, den der Sachverständige ermittelt hat. Das ist eindeutige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sowie fast durchweg aller Gerichte Deutschlands.

Das Landgericht Berlin hat dies in seinem Urteil vom 17.08.2022 anders gesehen und – vermutlich aufgrund fehlender Kenntnis der oben erwähnten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs – dem gegnerischen Haftpflichtversicherer ein Gegenvorschlagsrecht eingeräumt.

Dies hat das Kammergericht in der nächsten Instanz mit Urteil vom 18.03.2024 – 22 U 103/22 korrigiert und im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs entschieden: Der Geschädigte durfte sein Fahrzeug sofort zu dem im Gutachten angegebenen Restwert verkaufen und hat damit nicht gegen seine Schadengeringhaltungspflicht verstoßen. Er musste nicht auf ein höheres Restwertangebot des gegnerischen Versicherers warten.