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Die unliebsame Baumaßnahme auf dem Nachbargrundstück

Rechte des Nachbarn beim Bau hinter dem Gartenzaun

Wenn auf der anderen Seite des Gartenzauns Bauarbeiten durchgeführt werden, ist man als Nachbar nicht immer automatisch Befürworter der Baumaßnahme. Nicht selten wird das bislang gute Nachbarverhältnis durch die unliebsame Baumaßnahme auf dem Nachbargrundstück auf die Probe gestellt. Die Gründe für den Wunsch, dass der Bau des Nachbarn verhindert wird, können vielfältig sein. Dass der Wunsch am Ende verwirklicht wird, ist trotz limitierter Möglichkeiten nicht utopisch, obgleich abhängig vom konkreten Einzelfall in der konkreten örtlichen Situation.

Zuerst einmal: Nachbarbeteiligung

Grundsätzlich hat der Gesetzgeber vorgesehen, dass ein Nachbar vor dem ersten Spatenstich der geplanten Baumaßnahmen auf dem Grundstück nebenan zu beteiligen ist.
Es sind aber keine Einzelfälle, dass nicht unbedingt für die Errichtung der vermeintlich kleinen Gartenhütte eine Baugenehmigung eingeholt wird oder die Bauaufsichtsbehörde die vorgesehene Nachbarbeteiligung versäumt. In solch Konstellationen, in denen eine Beteiligung des Nachbarn bei der geplanten Baumaßnahme unterbleibt, ist der Nachbar nicht rechtsschutzlos gestellt.

Anspruch des Nachbarn auf sog. bauaufsichtliches Einschreiten

Der Nachbar kann die Verwaltungsbehörden je nach Sach- und Rechtslage dazu bringen, selbst gegen den Bau auf dem Grundstück hinter dem Gartenzaun einzuschreiten: Er macht seinen Anspruch auf sog. bauaufsichtliches Einschreiten geltend. Der Adressat des Antrags auf bauaufsichtliches Einschreiten ist nicht der Nachbar selbst, sondern die Bauaufsichtsbehörde. Bei ihr lässt sich auch anfragen, ob eine Baugenehmigung vorliegt. Bestenfalls erhält der Nachbar Akteneinsicht in die Bauakte. Wenn keine Baugenehmigung vorliegt, sollte im Falle der Verletzung nachbarrechtlicher Vorschriften der Nachbar auf ein bauaufsichtliches Einschreiten drängen.

Nicht immer Pflicht zum Einschreiten

Dass die Bauaufsichtsbehörde aber nicht immer die Pflicht hat, gegen den möglicherweise rechtswidrigen Bau auf dem Nachbargrundstück einzuschreiten, hat kürzlich das Oberverwaltungsgericht Lüneburg (OVG Lüneburg) mit Beschluss vom 25.08.2021, Az. 1 LA 7/21, hervorgehoben.

Der Fall war wie folgt: Ein ehemaliger Gewerbebau ist seit längerer Zeit mit Duldung der Bauaufsichtsbehörde zu Wohnzwecken genutzt worden. Die Wohnnutzung ist nicht genehmigt gewesen.

Das OVG Lüneburg stellte hierzu fest: Die in dem Beschluss beklagte Bauaufsichtsbehörde habe keine Pflicht, gegen den Bau auf dem Nachbargrundstück einzuschreiten. Der Anspruch des Nachbarn auf bauaufsichtliches Einschreiten setze eine „spürbare Beeinträchtigung“ voraus. Eine „spürbare Beeinträchtigung“ setze voraus, dass sich – im Vergleich zu einem rechtskonformen Bau auf dem Nachbargrundstück – die Beeinträchtigung für den Nachbarn durch den rechtswidrigen Bau nicht mehr „im üblichen Rahmen“ halte. Dass eine solche spürbare Beeinträchtigung im zugrundeliegenden Fall des Beschlusses von der bloßen Wohnnutzung nebenan für den Kläger ausgegangen sei, hat das OVG Lüneburg nach klägerischem Vortrag nicht nachvollziehen können.

Abzustellen auf den konkreten Verstoß in der konkreten örtlichen Situation

Das OVG Lüneburg hat gleichzeitig betont, dass es bei dem Anspruch des Nachbarn auf bauaufsichtliches Einschreiten auf den konkret vorliegenden Verstoß gegen nachbarschützende Vorschriften ankomme: Eine nennenswerte spürbare Beeinträchtigung von nachbarschützenden Rechten sei von der konkreten örtlichen Situation abhängig. Angenommen hat das OVG Lüneburg in der Vergangenheit eine solche nennenswerte „spürbare Beeinträchtigung“ beispielsweise bei einem Wohngrundstück in ruhiger Stadtrandlage, das durch einen Grenzbau hinter dem Gartenzaun an der empfindlichsten Seite betroffen gewesen ist, nämlich in unmittelbarere Nähe zur Terrasse, von der der Blick in südwestlicher Richtung über freie Landschaft bis zum Höhenzug des Deisters gereicht hat.

Sollte der Nachbar hinter dem Gartenzaun daher eine beeinträchtigende Bebauung planen oder bereits umsetzen, empfiehlt es sich, die konkrete örtliche Situation zu prüfen und bei nennenswerten spürbaren Beeinträchtigungen nachbarschützender Vorschriften den Anspruch auf bauaufsichtliches Einschreiten geltend zu machen. Die Vorstellung des Nachbarn, die unliebsame Baumaßnahme auf dem Nachbargrundstück zu verhindern, muss damit nicht nur Wunschdenken bleiben.