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Ein Haus für den Hausarzt

Die Kollision von Testierfreiheit und Berufspflichten

Die Testierfreiheit ermöglicht es, zu Lebzeiten eine von der gesetzlichen Erbfolge abweichende Regelung zum Vermögensübergang nach dem Tod anzuordnen. Die Testierfreiheit ist in Art. 14 Abs. 1 Grundgesetz verankert.

Einschränkungen der Testierfreiheit
Völlig uneingeschränkt wird die Testierfreiheit nicht gewährt. Zunächst müssen bestimmte Rahmenbedingungen eingehalten werden, wie die Testierfähigkeit. Für die Errichtung eines Testaments muss der Testierende mindestens 16 Jahre alt sein und darf nicht geschäftsunfähig sein (§ 2229 BGB). Ein Testament kann in der Regel nur vor einem Notar oder handschriftlich errichtet werden (§ 2231 BGB). Auch andere Gesetze und Vorschriften können die Testierfreiheit einschränken.

Der Testierende kann durch seine Testierfreiheit grundsätzlich frei bestimmen, wer was aus seinem Vermögen erhalten soll. Doch regelmäßig haben die Gerichte darüber zu entscheiden, ob zum Beispiel der behandelnde Arzt oder der Berufsbetreuer wirksam als Erbe oder Vermächtnisnehmer eingesetzt werden konnte.

Der Hausarzt als Vermächtnisnehmer
Der Bundesgerichtshof hatte kürzlich zu entscheiden, ob ein Vermächtnis, das ein Patient dem ihn behandelnden Arzt zuwendet, gegen die Berufsordnung der Ärztekammer verstoße und damit unwirksam sei (BGH, Urteil vom 2. Juli 2025, Az. IV ZR 93/24). Der Hausarzt und sein Patient hatten einen notariellen „Betreuungs-, Versorgungs- und Erbvertrag“ geschlossen, mit dem sich der Hausarzt zu Betreuungs- und Versorgungsleistungen für den Patienten verpflichtete und er als Gegenleistung das Grundstück des Patienten nach dessen Tod als Vermächtnis erhalten sollte.

Verstoß gegen Berufspflichten
Nach § 32 Abs. 1 der für den Arzt geltenden Berufsordnung der Ärztekammer Westfalen-Lippe ist es Ärzten nicht gestattet, sich von Patienten Geschenke oder andere Vorteile versprechen zu lassen oder anzunehmen, wenn dadurch der Eindruck erweckt wird, dass die Unabhängigkeit der ärztlichen Entscheidung beeinflusst wird. Das Oberlandesgericht Hamm als Vorinstanz hatte einen Verstoß gegen die Berufsordnung erkannt und die Teilnichtigkeit der Vereinbarung zwischen dem Hausarzt und dem Patienten angenommen. Der BGH hat diese Entscheidung mit seinem Urteil vom 02. Juli 2025 aufgehoben.

Kein Patientenschutz
Der BGH begründet seine Entscheidung damit, dass die Vorschrift der Berufsordnung zwar sowohl die konkrete Unabhängigkeit des Arztes als auch das abstrakte Vertrauen der Allgemeinheit in die Freiheit und Unabhängigkeit ärztlicher Entscheidungen schützt, nicht jedoch den zuwendenden Patienten. Das Verbot richtet sich allein an den Arzt. Ein Allgemeininteresse an der Unwirksamkeit der berufsordnungswidrigen Zuwendung besteht nicht.

Grundgesetzlich geschützte Testierfreiheit
Der Unwirksamkeit steht die grundgesetzlich geschützte Testierfreiheit des Patienten entgegen. § 32 der Berufsordnung der Ärztekammer kann die Testierfreiheit nicht einschränken. Dazu wäre eine gesetzliche Ermächtigungsgrundlage erforderlich. Die Ärztekammer ist nicht Gesetzgeber und kann daher eine die Testierfähigkeit der Patienten beschränkende Regelung nicht treffen. Die Annahme der Unwirksamkeit der letztwilligen Verfügung des Patienten zugunsten seines Arztes würde zudem missachten, dass nach den Umständen des Einzelfalls ein berechtigtes Interesse des Patienten an einer solchen letztwilligen Verfügung bestehen kann. Diese Beschränkung der Entscheidungsfreiheit des Patienten ist nicht durch den von der Norm bezweckten Schutz des Ansehens und der Integrität der Ärzteschaft gerechtfertigt.

Letztlich wird das OLG Hamm den Fall neu entscheiden müssen. Festgehalten werden kann, dass die Testierfreiheit nicht ohne Weiteres eingeschränkt werden darf.