Wandscher und Partner Navigation

Ein notarielles Nachlassverzeichnis kann Vorteile bringen

Ein notarielles Nachlassverzeichnis kann Vorteile bringen

Kinder, Ehegatten und – soweit keine Kinder vorhanden sind – Eltern des Erblassers haben Pflichtteilsrechte, wenn ihnen der Erblasser durch Testament weniger als die Hälfte ihrer gesetzlichen Erbquote zugewendet hat. Der Pflichtteilsanspruch ist ein Geldanspruch, nicht ein Anspruch auf einen Mindestanteil am Nachlass. Um bestimmen zu können, wie hoch der Anspruch ist, muss der Pflichtteilsberechtigte den Wert des Gesamtnachlasses kennen. Zu diesem Zweck ist der Erbe ihm zur Auskunft über den Nachlassbestand verpflichtet. Der Erbe muss ein ausführliches Nachlassverzeichnis erstellen.

Nicht selten hat der Pflichtteilsberechtigten kein großes Vertrauen in die Vollständigkeit und Richtigkeit des vom Erben erstellten Nachlassverzeichnisses. Das Gesetz vermittelt dem Pflichtteilsberechtigten zwar grundsätzlich den Anspruch, dass der Erbe die Richtigkeit und Vollständigkeit des Nachlassverzeichnisses an Eides statt versichert. Dieser Anspruch besteht aber nicht pauschal, sondern nur, wenn objektive Gründe vorliegen, die auf Fehler im Nachlassverzeichnis hindeuten. Ob solche Gründe vorliegen, kann streitig sein.

Unabhängig von irgendwelchen weiteren Voraussetzungen hat der Pflichtteilsberechtigte aber jederzeit das Recht, von dem Erben zu verlangen, ein notarielles Nachlassverzeichnis erstellen zu lassen. Diesen Anspruch hat der Pflichtteilsberechtigte sogar noch, wenn der Erbe selbst bereits ein Nachlassverzeichnis erstellt hat.

Um den Anspruch auf ein ordentliches notarielles Nachlassverzeichnis zu erfüllen, genügt es nicht, wenn der Notar einfach niederschreibt, was der Erbe ihm zum Nachlassverzeichnis diktiert. Der Notar hat grundsätzlich die Pflicht, den Nachlassbestand persönlich zu ermitteln. Welche konkreten Ermittlungsmaßnahmen der amtierende Notar durchführt, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab und steht in seinem pflichtgemäßen Ermessen. Es kann selbstverständlich nicht erwartet werden, dass ein notarielles Nachlassverzeichnis automatisch mehr Nachlassgegenstände zu Tage fördert, als der Erbe im eigenen Nachlassverzeichnis angegeben hat oder hätte. Gleichwohl kann die Einholung eines notariellen Nachlassverzeichnisses Vorteile haben – wie u.a. ein aktuelles Urteil des Bundesgerichtshofs zeigt.

In dem zugrunde liegenden Fall hatte der Notar in seinem notariellen Nachlassverzeichnis festgestellt, dass keine näheren Angaben zu einem österreichischen Konto des Erblassers machen konnte, weil der Erbe die zur Ermittlung erforderliche Zustimmungserklärung nicht erteilen wollte.

Der Bundesgerichtshof stellte in seinem Urteil klar, dass auf dieser Grundlage der Anspruch auf Erteilung eines (vollständigen) notariellen Nachlassverzeichnisses noch nicht erfüllt sei (BGH, Urteil vom 20.05.2020, Az.: IV ZR 193/19). Nicht etwa der Notar hatte einen Fehler gemacht hätte. Vielmehr beinhaltet der Anspruch des Pflichtteilsberechtigten auf ein notarielles Nachlassverzeichnis die Pflicht des Erben, bei der Erstellung des notariellen Nachlassverzeichnisses in dem erforderlichen Umfang mitzuwirken. In dem vom BGH entschiedenen Fall war der Erbe also verpflichtet, seine Zustimmung zur Einholung der österreichischen Kontodaten zu erteilen. Solange er diese Zustimmung nicht erteilt, wird er von der gesetzlichen Verpflichtung zur Einholung eines notariellen Nachlassverzeichnisses nicht frei.

Nicht in jedem Fall muss automatisch ein notarielles Nachlassverzeichnis gefordert werden. Zumal die dafür entstehenden Notarkosten als Nachlassverbindlichkeiten gelten und somit in Höhe der Pflichtteilsquote auch den Anspruch des Pflichtteilsberechtigten schmälern. Wie der vom BGH entschiedene Fall zeigt, gibt es aber durchaus Konstellationen, in denen es sich lohnt, doch auf ein notarielles Nachlassverzeichnis zu bestehen.