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Fußgänger haftet allein bei Überqueren der Fahrbahn

Betriebsgefahr des Pkw kann vollständig zurücktreten

Das OLG Koblenz hat am 21.12.2020, Az.: 12 U 401/20, ein interessantes Urteil zu einem Zusammenstoß zwischen einer Fußgängerin und einem Pkw verkündet. Um was ging es?
Eine Fußgängerin ging auf einem Bürgersteig entlang einer Bundesstraße. Dabei führte sie einen Einkaufswagen mit sich und beabsichtigte, die Straße zu überqueren. Beim Überqueren der Straße wurde sie von einem Pkw erfasst und schwer verletzt. Das Landgericht Koblenz hatte der Fußgängerin Schadensersatz in Höhe von 25 % aus der sogenannten Gefährdungshaftung des Pkw zugesprochen. Dagegen wehrte sich die beklagte Kfz-Versicherung.

erhöhte Sorgfaltsanforderungen beim Überqueren der Straße

Das OLG hat der Versicherung nunmehr Recht gegeben: Das Gericht geht in diesem Fall von einem überragenden und im Ergebnis haftungsausschließenden Mitverschulden der Fußgängerin aus. Dies begründet das Gericht wie folgt: § 25 III StVO stellt an denjenigen Fußgänger, der beabsichtigt die Straße zu überqueren, erhöhte Sorgfaltsanforderungen. Nach der Rechtsprechung muss ein Fußgänger beim Überqueren der Fahrbahn, auf der der Fahrzeugverkehr grundsätzlich Vorrang hat, besondere Vorsicht walten lassen. Er darf insbesondere nicht versuchen, noch kurz vor einem herannahenden Fahrzeug die Fahrbahn zu überqueren. Nach der Überzeugung des Senats hat die Fußgängerin die Fahrbahn betreten, ohne sich zuvor in irgendeiner Weise zu vergewissern, ob sich ein Fahrzeug näherte. Nach den Feststellungen eines Sachverständigen hätte die Fußgängerin bei einem vor Betreten der Fahrbahn nach links gerichtetem Blick die Fahrbahn über eine große Entfernung einsehen und damit problemlos das sich annähernde Fahrzeug erkennen können. Sie hätte damit ohne weiteres den Unfall vermeiden können. Hinzu kam, dass sich der Unfall bei Dunkelheit ereignet hat und die dunkel gekleidete Fußgängerin für den Pkw-Fahrer schwer erkennbar war. Dieser Umstand hätte eine besondere Aufmerksamkeit der Fußgängerin erfordert.

Anscheinsbeweis zu Lasten des Fußgängers

Im Ergebnis hat das Gericht zu Lasten der Fußgängerin einen sogenannten Anscheinsbeweis angenommen, so dass sie einen atypischen Verlauf hätte beweisen müssen. Dieser Beweis war ihr allerdings nicht gelungen. Insbesondere konnte sie nicht nachweisen, dass der Pkw-Fahrer gegen das Sichtfahrgebot oder das allgemeine Rücksichtnahmegebot verstoßen hat. Damit tritt die grundsätzlich von einem Pkw ausgehende Betriebsgefahr vollständig hinter dem massiven Eigenverschulden der Fußgängerin zurück und sie erhält keinen Schadensersatz.