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Haben Patienten einen Anspruch auf die Mitteilung, ob eine „Anfängeroperation“ bei ihnen selbst geplant ist?

Bei medizinischen Behandlungen hat der Patient zu jedem Zeitpunkt einen Anspruch auf eine Behandlung nach dem sog. Facharztstandard. Dieser Standard bedeutet aber, anders als der Wortlaut es vermuten lässt, nicht, dass die Behandlung von einem Arzt durchgeführt wird, der ein Facharztpatent hat. Die Ärzte im Rahmen einer Krankenhausabteilung sind in mehrere Gruppen zu unterscheiden.
1. Zunächst gibt es den Berufsanfänger. Dabei handelt es sich um einen jungen Assistenzarzt, der noch nicht die notwendige Erfahrung hat. Dieser Arzt kann unter keinen Umständen alleine den Facharztstandard gewährleisten. Durch eine konkrete Organisationsstruktur wird ein Berufsanfänger in Einzelschritten an stetig steigende Erfahrungsstufen herangeführt. Um den Facharztstandard zu gewährleisten muss der Berufsanfänger-Arzt nach der Rechtsprechung von einem Arzt mit nachgewiesener Facharztqualifikation überwacht und kontrolliert werden. Fehler bei dieser Überwachung können zu gravierenden haftungsrechtlichen Konsequenzen führen.
2. Die nächste Erfahrungsstufe des Arztes ist der Weiterbildungsassistent. Dies ist ein Arzt mit ausreichender praktischer Erfahrung, der auch selbstständig Operationen durchführen darf. Parallel hat dieser Arzt aber kein formelles Facharztpatent, erfüllt aber zugleich den Facharztstandard.
3. Ein Arzt mit formellem Facharztpatent ist die dritte Gruppe einer Krankenhausabteilung, der sog. Facharzt. Als Facharzt hat er die Befugnis bei Berufsanfängern die Operationen zu überwachen.
Nun ist in den meisten Fällen dem Patienten zum einen nicht bekannt, welche Erfahrungsstufe der behandelnde Arzt hat und zum anderen welcher konkrete Arzt die Operation durchführen wird. Der Patient hat aber auch keinen Anspruch darauf, zu erfahren, ob die Operation von einem Anfängerarzt, also einem Berufsanfänger, durchgeführt wird. Eine darauf ausgerichtete Frage muss das Krankenhaus nicht beantworten. Denn eine von einem Berufsanfänger durchgeführte Operation ist grundsätzlich zulässig und erfüllt den Facharztstandard, wenn der Eingriff von einem Facharzt überwacht wird. Der Facharztstandard wird durch die Pflicht der konsequenten Überwachung und Kontrolle der Berufsanfänger stets eingehalten.
Die Nichteinhaltung des Facharztstandards hat große haftungsrechtliche Konsequenzen. Grundsätzlich muss der Patient als Kläger vor Gericht nachweisen, dass der Arzt einen Behandlungsfehler begangen hat. Bei der Nichteinhaltung des Facharztstandards führt dies zu einer Beweislastumkehr. Dies bedeutet, dass bei Komplikationen im Rahmen der Operation oder der Nachbehandlung vermutet wird, dass diese auf die unzureichenden Behandlungsstandards zurückzuführen sind. In diesem Fall muss der Arzt beweisen, dass auch ein Facharzt den Schaden verursacht hätte. Gelingt dieser Nachweis nicht, droht dem Arzt ein Schadensersatz / Schmerzensgeld aufgrund eines Behandlungsfehlers.
Aufgrund der Komplexität dieses Rechtsgebiets sollte ein vermuteter ungewöhnlicher Heilungsverlauf oder ein unerwartetes nicht zufriedenstellendes Ergebnis nach einer Operation medizinrechtlich geprüft werden.