Wandscher und Partner Navigation

In oder Out? – Die Linie zwischen Innen- und Außenbereich

Bauplanungsrechtlicher Dauerbrenner wieder vorm OVG Niedersachsen

Bauland ist rar geworden. Aber nicht jedes Grundstück ist für ein Bauvorhaben geeignet. Immer mehr hört man aus dem Kreis der Bauwilligen die Begrifflichkeiten des „Innenbereichs“ und des „Außenbereichs“. In Zeiten, in denen die Abgrenzungsfrage beider Bereiche wieder Hochkonjunktur erlebt, hat das Oberverwaltungsgericht Niedersachsen mit Beschluss vom 18.02.2021, Az. 1 LA 97/19, für neuen Gesprächsstoff gesorgt: Das OVG Niedersachsen musste sich mit der Frage auseinandersetzen, ob in einem Siedlungsbereich ein einzelnes, nur 90 m vorgelagertes Wohnhaus noch dem Innenbereich zuzuordnen ist.

Aber erstmal: Wofür ist die Zuordnung überhaupt wichtig?

Für die Zulässigkeit eines Bauvorhabens ist von entscheidender Bedeutung, ob eine zur Bebauung vorgesehene Fläche noch am Bebauungszusammenhang teilnimmt und damit dem Innenbereich zuzuordnen ist oder bereits im Außenbereich liegt. Nur der „Innenbereich“ ist grundsätzlich bebaubar. Der Außenbereich hingegen soll von jeder (nicht privilegierten) Bebauung freigehalten werden: Eine Baugenehmigung für das neue Heim am idyllischen Wunschstandort in einer Emil-Nolde-Landschaft ist damit oft mehr Wunsch als Wirklichkeit.

Doch wo hört der „Innenbereich“ auf und wo fängt der „Außenbereich“ an?

Das OVG Niedersachsen hat die Frage beantwortet – oder auch nicht: Die Linie zwischen Innen- und Außenbereich bestimmt die „Verkehrsanschauung“. Das Gericht betont damit ein weiteres Mal, dass die Abgrenzung von persönlichen Einschätzungen und Wertungen abhängig ist.

Und wie ziehe ich die Linie jetzt konkret?

Die Praxis der Baubehörde, Gerichte und des Fachanwalts für Verwaltungsrecht richtet das Augenmerk auf die Frage, ob von einem „Ortsteil“ und einem „Bebauungszusammenhang“ gesprochen werden kann. Nimmt das Vorhaben noch am Bebauungszusammenhang teil, liegt es grundsätzlich im Innenbereich – mit der Erteilung einer Baugenehmigung darf gerechnet werden. Ob aber noch ein Bebauungszusammenhang vorliegt, ist insbesondere in Fällen unbebauter Flächen in Ortsrandlage schwer zu beantworten.
Für den Bebauungszusammenhang wird eine aufeinanderfolgende Bebauung gefordert, die den Eindruck der Geschlossenheit oder Zusammengehörigkeit vermittelt. Die Grenze zwischen dem Ortsteil (Innenbereich) und der malerischen freien Natur (Außenbereich) ist nicht nach geografisch-mathematischen Maßstäben zu ziehen, sondern nach einer Bewertung des konkreten Sachverhalts im Einzelfall. Grundsätzlich endet nach der Rechtsprechung der Innenbereich am „letzten Haus“. Gedanklich muss eine Verbindungslinie von Hauskante zu Hauskante gezogen werden. Am letzten Baukörper fängt damit in der Regel der Außenbereich an.

Wie so oft: Ausnahmen bestätigen die Regel

Örtliche Besonderheiten lassen Ausnahmen zu, bei denen nicht der letzte Baukörper das „In“ und das „Out“ bestimmt. Der Innenbereich muss nicht immer an der Hauskante bzw. Hauswand enden, sondern kann sich noch bis zu einem Geländehindernis, einer Erhebung oder einem Einschnitt erstrecken. Eine 8 bis 10 m hohe Böschung, ein Fluss oder ein Waldrand beispielsweise, die das unbebaute Grundstück von einer landwirtschaftlichen Fläche abtrennen, erweitern möglicherweise den Innenbereich. Auch eine „bebauungsakzessorische Nutzung“ lässt es zu, den Innenbereich auf eine unbebaute Fläche auszudehnen. Wenn die unbebaute Fläche als zugehörig zum bebauten Teil anzusehen ist und mit diesem ein organisches Ganzes bildet (z.B. bei Hausgärten), kann die unbebaute Fläche noch Teil des Innenbereichs darstellen.

Die Abgrenzung des Innenbereichs vom Außenbereich darf also nicht schematisch und einförmig erfolgen. Eine gründliche Prüfung der örtlichen Gegebenheiten lässt Chancen zu, die Linie zwischen Innen- und Außenbereich neu anzusetzen. Sollte das Baugrundstück damit „In“ und nicht „Out“ sein, kann das dem Bauwilligen wertvolle Chancen auf eine Baugenehmigung eröffnen. Und wie fällt die Einschätzung der Richter des OVG Niedersachsen zum Kläger und seinem nur 90 m vorlagerten Wohnhaus aus? „Out“.