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Ist eine sachgrundlose Befristung trotz Vorbeschäftigung möglich?

Wird ein Arbeitnehmer 22 Jahre nach Beendigung seines Arbeitsverhältnisses wieder bei demselben Arbeitgeber eingestellt, ist eine erneute sachgrundlose Befristung möglich, so das Bundesarbeitsgericht (BAG) in einer aktuellen Entscheidung vom 21.08.2019, Az: 7 AZR 452/17(Pressemitteilung des BAG Nr. 29/19).

Die Entscheidung des BAG, die bisher lediglich als Pressemitteilung vorliegt, ist Folge einer Rechtsprechungsänderung des BAG, die bereits mit einer Entscheidung aus Januar 2019 erfolgt ist (BAG Urteil vom 23.01.2019, 7 AZR 733/16). In der Zeit von 2011 bis Anfang 2019 hielt das BAG die Befristung eines Arbeitsverhältnisses ohne Sachgrund trotz gesetzlichem Vorbeschäftigungsverbots für möglich, wenn zwischen altem und neuem Arbeitsverhältnis mehr als drei Jahre Karenzzeit liegen. Diese dreijährige Karenzzeit reicht nach der Rechtsprechungsänderung nicht mehr aus. Das BAG orientiert sich vielmehr an der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 6.Juni 2018, das die Drei-Jahres-Grenze als verfassungswidrig beanstandet, bei einer „sehr lange zurückliegenden“ Vorbeschäftigung jedoch die Möglichkeit einer erneuten sachgrundlosen Beschäftigung zugelassen hat. Es ist nun Sache des BAG durch zukünftige Entscheidungen die Frage, wann eine „sehr lange“ zurückliegende Vorbeschäftigung vorliegt, zu beantworten.

Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zu Grunde:
Die Arbeitnehmerin war bei dem Arbeitgeber in der Zeit vom 22.10.1991 bis zum 30.11.1992 als Hilfsarbeiterin für Kindergeld beschäftigt. Der Arbeitgeber stellte die Arbeitnehmerin erneut mit Wirkung zum 15.10.2014 als Telefonserviceberaterin im Servicecenter ein. Das Arbeitsverhältnis war zunächst bis zum 30.06.2015 sachgrundlos befristet und wurde später bis zum 30.06.2016 verlängert. Die Arbeitnehmerin erhob Klage und meinte, dass ihr Arbeitsverhältnis nicht aufgrund der Befristung zum Ablauf des 30.06.2016 ende, da sie bereits zuvor bei diesem Arbeitgeber beschäftigt gewesen sei. Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, das Landesarbeitsgericht Schleswig–Holstein hat der Klage in zweiter Instanz stattgegeben. Gegen das zweitinstanzliche Urteil hat der Arbeitgeber erfolgreich Revision eingelegt.

Zur Begründung der Entscheidung führt das BAG aus, dass nach § 14 Abs. 2 Satz 2 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) die kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrags ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes zwar nicht zulässig ist, wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein Arbeitsverhältnis bestanden hat. Nach einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 6. Juni 2018 (- 1 BvL 7/14, 1 BvR 1375/14 -) können und müssen die Fachgerichte jedoch durch verfassungskonforme Auslegung den Anwendungsbereich von § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG einschränken, soweit das Verbot der sachgrundlosen Befristung unzumutbar ist, weil eine Gefahr der Kettenbefristung in Ausnutzung der strukturellen Unterlegenheit der Beschäftigten nicht besteht und das Verbot der sachgrundlosen Befristung nicht erforderlich ist, um das unbefristete Arbeitsverhältnis als Regelbeschäftigungsform zu erhalten. Das Verbot der sachgrundlosen Befristung kann danach dann unzumutbar sein, wenn eine Vorbeschäftigung sehr lang zurückliegt. Um einen solchen Fall handelt es sich nach Auffassung des BAG vorliegend, da die Vorbeschäftigung bei der erneuten Einstellung 22 Jahre zurücklag. Besondere Umstände, die dennoch die Anwendung des in § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG bestimmten Verbots gebieten könnten, lägen nicht vor.

Gemäß der bisher ergangenen Entscheidungen des BAG nach der Rechtsprechungsänderung Anfang 2019, ist ein Zeitraum vom acht Jahren nicht ausreichend, wohingegen nunmehr nach der aktuellen Entscheidung 22 Jahre ausreichen dürften.

Fazit: Vor Abschluss eines sachgrundlos befristeten Arbeitsverhältnisses sollte der Arbeitgeber genau prüfen, ob er in den zurückliegenden Jahren den Arbeitnehmer und sei es auch nur für eine kurze Zeit beschäftigt hatte. Er muss dabei weit zurückschauen. ( Jahre reichen nicht aus. Offenbar dürften 22 Jahre allerdings genügen, wenn keine anderen besonderen Umstände hinzutreten.