Kauf eines Fahrzeugs nachts auf dem Parkplatz eines Schnellrestaurants?
Die Anforderungen an den sog. gutgläubigen Erwerb von Gebrauchtfahrzeugen
Immer wieder beschäftigt der sog. gutgläubige Erwerb von Fahrzeugen die deutschen Gerichte. Häufig treten die Vertragsparteien über das Internet in Kontakt. Sie sind sich fremd und vereinbaren einen neutralen Treffpunkt. Der Käufer bezahlt das Fahrzeug in bar. Einige Tage nach dem Kauf meldet sich eine unbekannte Person bei dem Käufer und behauptet, sie sei Eigentümer des Fahrzeugs. Muss der Käufer das Fahrzeug nun herausgeben? Es kommt darauf an!
Was ist der sog. gutgläubige Erwerb?
Der gutgläubige Erwerb ist in § 932 Abs. 1 BGB geregelt. Er ermöglicht dem Erwerber einer Sache, Eigentum zu erwerben, obwohl der Veräußerer nicht befugt ist, das Eigentum an der Sache zu übertragen. Weiß der Erwerber nichts von der fehlenden Berechtigung des Veräußerers und gibt es auch keine Anzeichen diesbezüglich, führt der gutgläubige Erwerb dazu, dass auch von einem Unberechtigten Eigentum erworben werden kann. Der ursprüngliche Eigentümer kann vom Erwerber daher nicht mehr verlangen, die Sache zurückzugeben.
Gibt es Ausnahmen?
Ja! Der gutgläubige Erwerb wird nicht grenzenlos ermöglicht. Nach § 935 Abs. 1 BGB ist ein gutgläubiger Erwerb nicht möglich, wenn die Sache abhandengekommen ist. Dies ist der Fall, wenn der Berechtigte den Besitz an der Sache ohne oder gegen seinen Willen verloren hat. Die typischen Fälle sind Verlust oder Diebstahl.
Welche Fälle bleiben dann noch und was bedeutet guter Glaube beim Autokauf?
Kein Abhandenkommen liegt zum Beispiel vor, wenn ein Autohaus das Fahrzeug zur Probefahrt herausgibt (so der BGH am 18.09.2020 – V ZR 8/19) oder ein Autovermieter das Fahrzeug vermietet. Gibt der Kaufinteressent oder Mieter das Fahrzeug anschließend nicht zurück und verkauft es stattdessen an einen Dritten, liegt ein Fall vor, in dem der gutgläubige Erwerb relevant wird.
Guter Glaube liegt nach § 932 Abs. 2 BGB vor, wenn der Erwerber der Sache weiß oder wissen musste, dass die Sache nicht dem Veräußerer gehört. Einfach gesagt: Der Erwerber glaubt, die Sache gehört dem Verkäufer. Anders als bei anderen Sachen ist es für den guten Glauben beim Autokauf jedoch nicht ausreichend, vom Besitz des Verkäufers auf sein Eigentum zu schließen. Die Rechtsprechung nimmt die sog. „grob fahrlässige Unkenntnis“ beim Autokauf zum Beispiel dann an, wenn der Käufer sich nicht die Zulassungsbescheinigung Teil II (früher Kfz-Brief) zeigen lässt. Lässt sich der Erwerber eine Bescheinigung vorlegen und ist diese gefälscht, kommt es auf die Erkennbarkeit der Fälschung an. Eine nicht zu erkennende Fälschung schadet dem guten Glauben nicht (BGH, Urteil vom 23.09.2022 – V ZR 148/21) und kann somit zum Eigentumserwerb führen. Dann muss der Käufer das Fahrzeug nicht herausgeben.
Zu beachten ist, dass der gute Glaube auch verneint werden kann, obwohl die Zulassungsbescheinigung Teil II vorliegt, jedoch andere Umstände hinzukommen, die das Geschäft als unüblich erscheinen lassen. Vor kurzer Zeit hatte das OLG Oldenburg einen Fall zu entscheiden, in dem es um den Kauf eines teuren Sportwagens ging. Der Verkäufer hat den Wagen von einer Agentur gemietet und nicht zurückgegeben. Es lag also kein Fall des Abhandenkommens vor. Das Fahrzeug wurde um 23 Uhr an einer Tankstelle durch „zwei Vermittler“ an den Käufer übergeben, mit denen er um 1 Uhr nachts den Vertrag in einem Schnellrestaurant unterschrieb. Als Gegenleistung gab der Käufer seinen eigenen Sportwagen in Zahlung und zahlte zusätzlich einen fünfstelligen Betrag in bar.
Das OLG verneinte trotz Vorlage der Zulassungsbescheinigungen Teil I und II einen Eigentumserwerb des Käufers, da dieser nur mit Vermittlern in Kontakt war und vor allem, weil die Uhrzeit und die Ortswahl für den Vertragsabschluss unüblich waren. Zusätzlich waren die Personalien in den Bescheinigungen anders geschrieben als im Kaufvertrag. Diese Umstände hätten den Käufer zu weiteren Nachforschungen bewegen müssen. Das Gericht ging in dem Fall von der groben Fahrlässigkeit des Käufers aus (OLG Oldenburg, Urteil vom 27.03.2023 – 9 U 52/22). Er musste das Fahrzeug später an den wahren Eigentümer herausgeben.
Was ist also zu beachten?
Beim Gebrauchtwagenkauf sollte sich der Käufer die Zulassungsbescheinigungen, insbesondere Teil II, vorlegen lassen. Zudem sollte er prüfen, ob der Verkäufer mit dem eingetragenen Halter übereinstimmt oder zumindest nachweislich zum Verkauf bevollmächtigt ist. Außerdem zeigt vor allem der zuletzt vorgestellte Fall, dass es wichtig ist einen „geordneten und üblichen Ablauf“ des Kaufes einzuhalten. Von außergewöhnlichen, dubiosen nächtlichen Geschäften sollte ein Käufer Abstand nehmen, um den Schutz des guten Glaubens nicht zu verlieren.