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Reiserecht in Zeiten der Corona-Pandemie

Bekommt der Verbraucher seine Anzahlung wieder?

Die Reisebranche steht in Anbetracht einer wahrhaftigen Stornierungswelle vor großen Herausforderungen. Doch auch für Verbraucher ist die derzeitige Situation fordernd: Viele Reisende bleiben zunächst auf Anzahlungen oder gar dem vollständigen, bereits entrichteten Reisepreis sitzen, weil eine Pauschalreise vom jeweiligen Veranstalter letztlich nicht durchgeführt wird, eine Rückzahlung aber auf sich warten lässt.

In den letzten Monaten zeigt sich in der Reisebranche eine Tendenz, den Verbraucher nach der Stornierung einer Reise zunächst „hinzuhalten“. So ist die Rechtslage bei einer Stornierung einer Pauschalreise durch den Veranstalter in Anbetracht des § 651h BGB zwar eindeutig: Er ist zur vollständigen Rückzahlung der Reisepreises innerhalb von 14 Tagen verpflichtet. Zu Beginn der Corona-Krise hofften viele Reiseunternehmen dennoch auf die von der Bundesregierung vorgeschlagene „Gutscheinlösung“, die letztlich im Veranstaltungsrecht auch eingeführt wurde. Für aufgrund der Corona-Pandemie ausgefallene Reisen erteilte die EU-Kommission diesem Vorschlag aber eine Absage. Einen nationalen Alleingang lehnte die Bundesregierung ab.

Doch auch in der Folge lassen sich Verzögerungen in der Bearbeitung der Vorgänge beobachten. Viele Unternehmen verweisen – wohl nachvollziehbarerweise – auf eine längere Bearbeitungsdauer der Vorgänge ob der Vielzahl der Stornierungen. Dennoch werden – auch selbstgesetzte – Rückzahlungsfristen der Veranstalter allzu häufig nicht eingehalten. Nur mutmaßen kann der Verbraucher, ob dies nicht nur an der Vielzahl der Vorgänge, sondern möglicherweise auch an aufgetretenen Liquiditätsengpässen liegt. Letztlich bleibt – jedenfalls nach außergerichtlichem Beilegungsversuch – der Weg über das gerichtliche Mahnverfahren, das die denkbar schnellste Möglichkeit gewährt, einen vollstreckbaren Titel gegen den jeweiligen Reiseveranstalter zu erhalten, der auf Jahre gültig ist.

Wie ist mit für den Sommer geplanten Reisen umzugehen?

In der Praxis ist einhellige Meinung: Maßgeblich für die Möglichkeit, eine Pauschalreise nicht nur zu stornieren (das ist vor dem Reisebeginn stets möglich), sondern sie auch kostenfrei zu stornieren, ist die Reisewarnung des auswärtigen Amtes für das jeweilige Zielgebiet. So war es für viele Reisen, die bis einschließlich Mitte Juni stattfinden sollten, unumstritten, dass eine kostenfreie Stornierung möglich war.

Nach der Aufhebung der Reisewarnung für viele Staaten stellt sich nunmehr die Frage, ob wegen der Beschränkungen am jeweiligen Zielort, die aufgrund der Corona-Pandemie zu erwarten sind, ebenfalls ein Rücktritt vom Reisevertrag möglich ist, der dem (letztlich Nicht)Reisenden einen Anspruch auf Erstattung sämtlicher Anzahlungen einräumt. Dies hängt von dem Begriff der „unvermeidbaren und außergewöhnlichen Umstände“ im Sinne des § 651h Abs. 3 BGB ab. Liegen derartige Umstände vor, kann eine Entschädigung vom Reiseveranstalter nicht geltend gemacht werden.
Lautete das Pendant zu diesen „Umständen“ nach der vormaligen Gesetzesfassung „höhere Gewalt“, ist es anerkannt, dass der aktuelle Terminus erheblich weitergehend ist. Auch wenn Regelbeispiele für diese „Umstände“ etwa Naturkatastrophen oder Aufruhen am Zielort sind, ergibt sich aus Erwägungsgrund Nr. 31 der sog. Pauschalreiserichtlinie (EU 2015/2302), auf der das deutsche Pauschalreiserecht beruht, dass auch erhebliche Risiken für die menschliche Gesundheit wie der Ausbruch einer schweren Krankheit am Reiseziel einen solchen Umstand darstellen können. Daher kann nach diesseitiger Auffassung je nach den Umständen des Einzelfalls (Zielort und dortige Bestimmungen im Hinblick auf Corona, dortiges Infektionsgeschehen, individuelle besondere Anfälligkeit etc.) für das Vorliegen hinreichend erschwerender Umstände argumentiert werden, die im Falle einer Stornierung eine Zahlungspflicht des Verbrauchers ausschließen.
Der Verbraucher tut gut daran, das Geschehen auch in der Politik weiterhin zu beobachten und im Zweifelsfalle professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen.