Sonderkündigungsschutz für schwangere Arbeitnehmerin
Nachträgliche Klagezulassung
Will eine Arbeitnehmerin geltend machen, dass eine Kündigung sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist, so muss innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung Klage beim Arbeitsgericht erhoben werden, § 4 KSchgG. Wenn die dreiwöchige Klagefrist nach Zugang der Kündigung verstrichen ist, ohne dass die Arbeitnehmerin Kündigungsschutzklage erhoben hat, so gilt sie als von Anfang an rechtswirksam, auch wenn sie tatsächlich rechtswidrig war, § 7 KSchG.
Hintergrund
Im vom Bundesarbeitsgericht jüngst entschiedenen Sachverhalt (BAG, Urteil vom 3.4.2025 – 2 AZR 156/24) war die Klägerin im Zeitpunkt ihrer arbeitgeberseitigen Kündigung bereits schwanger. Hiervon hatte sie lediglich Kenntnis durch einen eigens durchgeführten Schwangerschaftstests erlangt. Die Kündigung einer schwangeren Arbeitnehmerin ist nach § 17 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 MuschG in Verbindung mit § 134 BGB unwirksam. Die Klägerin erhob zwar eine Kündigungsschutzklage. Die dreiwöchige Klagefrist des § 4 KSchG war in diesem Zeitpunkt jedoch bereits abgelaufen, sodass die Rechtswirksamkeit der Kündigung grundsätzlich nach § 7 KSchG fingiert werden würde.
Nachträgliche Klagezulassung
Für den Fall, dass eine Frau von ihrer Schwangerschaft aus einem von ihr nicht zu vertretenden Grund erst nach Ablauf der Frist des § 4 KSchG (drei Wochen) Kenntnis erlangt hat, sieht § 5 KSchG vor, dass die Kündigungsschutzklage nachträglich zugelassen werden kann. Der Antrag auf nachträgliche Klagezulassung muss jedoch dann innerhalb von zwei Wochen ab Kenntnis über die Schwangerschaft gestellt werden.
Die Sicht des Arbeitsgebers
Der Arbeitgeber vertrat die Auffassung, dass die Arbeitnehmerin noch innerhalb der dreiwöchigen Klagefrist Kenntnis von ihrer Schwangerschaft erlangt – und zwar durch einen positiven Schwangerschaftstest. Die Kündigungsschutzklage sei deshalb verfristet und damit wirksam.
Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts – Sichere Kenntnis erst nach Arztbesuch
Die beiden Vorinstanzen als auch das BAG folgten der Auffassung des Arbeitgebers jedoch nicht. Zwar wurde unstreitig die dreiwöchige Klagefrist durch die Arbeitnehmerin nicht gewahrt. Die Kündigungsschutzklage ist aber nachträglich zuzulassen, § 5 KSchG. Die zweiwöchige Antragsfrist auf nachträgliche Klagezulassung beginnt erst, wenn die Frau positive Kenntnis von ihrer Schwangerschaft hat. Diese positive Kenntnis ist jedoch nicht bereits mit einem eigens durchgeführten Schwangerschaftstest gegeben, sondern erst mit der frühestmöglichen frauenärztlichen Untersuchung, die sodann die Schwangerschaft bestätigt.
Der europarechtliche Schutz von Arbeitnehmerinnen vor einer Kündigung stellt objektiv an das Bestehen einer Schwangerschaft zum Zeitpunkt der Kündigung ab. Effektiver Rechtsschutz erfordert das Wissen, dass im Zeitpunkt der Kündigung eine Schwangerschaft bestand. Dieses Wissen ist mit der bloßen Durchführung eines Schwangerschaftstests im Frühstadium der Schwangerschaft nicht gegeben.
Im Ergebnis war die Kündigung der Arbeitnehmerin aufgrund ihrer Schwangerschaft damit nach § 17 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 MuschG in Verbindung mit § 134 BGB unwirksam.