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Unwirksame Testamente können in Ausnahmefällen umgedeutet werden

Ein Jeder muss seinen Erben selbst bestimmen.

Niemand ist verpflichtet, ein Testament zu verfassen. Wenn man allerdings testamentarische Verfügungen verfasst, sollte man auch sicher gehen, dass der letzte Wille auch wirklich umgesetzt werden kann.

So findet sich beispielsweise in § 2065 Abs. 2 BGB ein gesetzliches Verbot, das ein ganzes Testament unwirksam machen kann. Nach dieser Vorschrift kann die Bestimmung der Person, die eine Zuwendung erhalten soll, nicht einem anderen überlassen werden. Der Verfasser eines Testaments darf also nicht festlegen, dass nach seinem Ableben eine andere Person darüber entscheiden soll, wer Erbe werden soll.

Über einen Anwendungsfall dieses gesetzlichen Verbotes hatte Anfang dieses Jahres das Oberlandesgericht München zu entscheiden (OLG München, Urteil vom 27.01.2016; Az.  31 Wx 168/15): In einem notariellen gemeinschaftlichen Testament hatten sich Eheleute wechselseitig als Alleinerben eingesetzt. Dabei hatte der Ehemann seine Ehefrau lediglich als Vorerbin und seine beiden Söhne als Nacherben bestimmt. Zugleich legte er jedoch fest, dass seine Ehefrau befugt sein sollte, die Nacherbeneinsetzung nach seinem Tode abzuändern, z.B. nur einen der beiden Söhne als alleinigen Nacherben zu bestimmen

Was bei der Beurkundung des Testaments offenbar übersehen wurde: Ein Nacherbe ist nicht etwa nur der Erbe, der den Vorerben beerben soll. Der Nacherbe ist überhaupt nicht Erbe des Vorerben. Er ist Erbe des ursprünglichen Erblassers. Der Vorerbe erhält den Nachlass des Erblassers nur zu treuen Händen, um ihn im Nacherbfall an den Nacherben weiter zu reichen. Der Ehefrau die Bestimmung des Nacherben zu überlassen hieß, ihr die Bestimmung eines Erben des Erblassers, ihres Ehemannes, zu überlassen – ein Verstoß gegen das Verbot des § 2065 BGB.

Nachdem sowohl der Ehemann als auch einer der beiden Söhne verstorben waren, machte die Ehefrau von ihrem vermeintlichen Recht Gebrauch gemacht, die Nacherbenbestimmung zu ändern. Sie setzte in einem eigenen Testament nunmehr den zweiten, überlebenden, Sohn als Alleinerben ein.

Ohne dieses neue Testament der Ehefrau hätte womöglich das Kind des verstorbenen Sohnes, also der Enkel der Eheleute, geerbt. Dieser Enkel berief sich auf die Unwirksamkeit der Nacherbeneinsetzung. Das Oberlandesgericht München trat dem noch lebenden Sohn zur Seite und zog hierzu § 140 BGB heran. Nach dieser Vorschrift kann eine nichtige Verfügung in eine wirksame Verfügung umgedeutet werden, wenn anzunehmen ist, dass diese bei Kenntnis der Nichtigkeit der ersten Verfügung gewollt gewesen wäre. Nach diesen Grundsätzen legte das Oberlandesgericht das Testament kurzerhand dahingehend aus, dass die ursprüngliche Nacherbeneinsetzung in dem Testament unter der auflösenden Bedingung stand, dass die Ehefrau keine abweichende Erbenbestimmung treffen würde. Nach Auslegung des Oberlandesgerichts blieb die Ehefrau zeitlebens Vorerbin ihres Ehemannes, wurde aber mit ihrem Tode für eine gedachte, sogenannte juristische, Sekunde unbeschränkte Vollerbin ihres Ehemanns. Damit wurde ihr Testament zugunsten ihres überlebenden Sohnes auch hinsichtlich des Nachlasses des Ehemannes wirksam. Der noch vorhandene Nachlass beider Eheleute fiel an den noch überlebenden Sohn.

Niemand kann ein Interesse daran haben, dass erst ein Oberlandesgericht darüber entscheiden muss, wie sein letzter Wille denn nun zu interpretieren sei. Die Entscheidung des Oberlandesgerichts München zeigt einmal mehr, wie wichtig es ist, vor der Errichtung eines Testaments kompetente juristische Beratung in Anspruch zu nehmen.