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Verjährung von Urlaubsansprüchen

Unterliegt der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren?

Das Bundesarbeitsgerichts (BAG) hat am 29.09.2020 zu Klärung der Frage, ob Ansprüche auf bezahlten Jahresurlaub der regelmäßigen Verjährung von drei Jahren unterliegen ein laufendes Verfahren durch Beschluss ausgesetzt und dem Gerichtshof der europäischen Union (EuGH) zu Vorabentscheidung vorgelegt (Beschluss vom 29.09.2020 – 9 AZR 266/20; Pressemitteilung Nr. 34/20). Der EUGH soll darüber entscheiden, ob Arbeitnehmer Urlaubsansprüche unter bestimmten Umständen zeitlich unbegrenzt ansammeln können und nicht genommener Urlaub, der bereits mehrere Jahre zurückliegt, noch geltend gemacht werden kann.
Streit um die Abgeltung von 101 Urlaubstagen
Die Arbeitnehmerin war von November 1996 bis Juli 2017 bei dem Arbeitgeber als Steuerfachangestellte und Bilanzbuchhalterin tätig. Sie hatte im Kalenderjahr Anspruch auf 24 Arbeitstage Erholungsurlaub. Bis zum Jahr 2011 sammelte sie 76 Urlaubstage aus den Vorjahren an. Mit Schreiben vom März 2012 bescheinigte ihr der Arbeitgeber, dass ihr Resturlaubsanspruch von 76 Tagen nicht verfalle, weil sie ihren Urlaub wegen des hohen Arbeitsaufwandes in seiner Kanzlei nicht habe antreten können. In den Jahren 2012 bis 2017 gewährte der Arbeitgeber der Arbeitnehmerin insgesamt 95 Arbeitstage Urlaub. Mit ihrer Klage verlangt die Arbeitnehmerin die Abgeltung von insgesamt 101 Urlaubstagen. Der Arbeitgeber hat im Laufe des Verfahrens die Einrede der Verjährung erhoben und ist der Ansicht, das die Urlaubsansprüche bereits verjährt seien, da diese der regelmäßigen Verjährungsrist von drei Jahren (§ 195 BGB) unterlägen. Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf gab der Klage der Arbeitgeberin statt. Der Arbeitgeber hat Revision gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts eingelegt.
Jedenfalls kein Verfall der Urlaubsansprüche nach § 7 Bundesurlaubsgesetz
Nach Auffassung des BAG sind die Urlaubsansprüche der Arbeitnehmerin zumindest nicht bereits nach § 7 Bundesurlaubsgesetz verfallen. Mit Urteil vom 06.11.2018 (Az. C-684/16) entschied der EuGH bereits, dass in richtlinienkonformer Auslegung von § 7 Bundesurlaubsgesetzes der Anspruch auf den gesetzlichen Mindesturlaub grundsätzlich nur dann am Ende eines Kalenderjahres oder eine zulässigen Übergangszeitraums (31.03. des Folgejahres) verfällt, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer konkret aufgefordert hat, seinen (Rest-)Urlaub rechtzeitig zu nehmen und ihn darauf hingewiesen hat, dass dieser andernfalls verfällt (Mitwirkungsobliegenheit des Arbeitgebers). An einer solchen Mitteilung seitens des Arbeitgebers fehlte es hier.
Für den neunten Senat des BAG ist somit entscheidungserheblich, ob es mit europäischen Recht vereinbar ist, wenn der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub, der aufgrund unterlassener Mitwirkung des Arbeitgebers nicht bereits nach § 7 Abs.3 Bundesurlaubsgesetzes verfallen konnte, der regelmäßigen dreijährigen Verjährungsfrist unterliegt.
Die zu erwartende Entscheidung des EuGH könnte erhebliche Auswirkungen auf das nationale Urlaubsrecht haben. Sollte der EuGH zu dem Ergebnis gelangen, dass europäisches Recht der Anwendbarkeit der regelmäßigen dreijährigen Verjährungsfrist nicht entgegensteht, würde dies auch die Bedeutung der richtlinienkonformen Auslegung von § 7 BUrlG deutlich abschwächen. Denn Arbeitgebern, die ihrer Mitwirkungsobliegenheit nicht nachgekommen sind, stünde dann ein zusätzlicher Einwand über die Einrede der Verjährung zur Verfügung.