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Videoüberwachung versus Datenschutz

Grundsätzlich darf jeder Mensch zunächst einmal selbst entscheiden, ob Filmaufnahmen von ihm gemacht und verwendet werden dürfen. Dieses Recht am eigenen Bild ist Teil des im Grundgesetz verankerten allgemeinen Persönlichkeitsrechtes. In der Regel ist eine verdeckte Videoüberwachung ohne Einverständnis des Arbeitnehmers und ohne konkreten Grund rechtswidrig. Nur wenn der Arbeitgeber ein schutzwürdiges Interesse hat, in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers einzugreifen, kann der Eingriff zulässig sein.

Will ein Arbeitgeber Straftaten verhindern, so ist es beispielsweise zulässig in öffentlichen Räumen wie Schalterhallen oder Kassenbereichen von z.B. Supermärkten mit Videokameras die Bereiche zu überwachen, wenn diese Überwachung offen geschieht und wenn der Arbeitgeber auf sie hinweist. Erfolgt die Videoüberwachung heimlich und ohne Anlass ist sie in der Regel rechtswidrig. Der Arbeitnehmer kann dann unter Umständen auch Schmerzensgeld für Videokontrollen verlangen.

Soweit der Arbeitgeber Videoaufnahmen rechtmäßig erstellt hat, besteht Streit darüber, wann der Arbeitgeber das Filmmaterial wieder löschen muss. § 4 Abs.5 des Bundesdatenschutzgesetzes sieht vor, dass Daten unverzüglich zu löschen sind, wenn sie zur Erreichung des Zwecks nicht mehr erforderlich sind oder schutzwürdige Interessen der Betroffenen einer weiteren Speicherung entgegenstehen. Hier hat das Bundesarbeitsgericht in einer aktuellen Entscheidung vom 23.08.2018, Az. 2 AZR 133/18, für viele Datenschützer überraschend geurteilt, dass Bildsequenzen aus einer rechtmäßigen offenen Videoüberwachung nicht sofort ausgewertet werden müssen. Auch eine Auswertung 6 Monate nach der Videoüberwachung ist zulässig.

Der Fall:

Die Arbeitnehmerin arbeitete in einem Tabak- und Zeitschriftenhandel. Der Arbeitgeber hatte eine offene Videoüberwachung installiert. Der Arbeitgeber wollte damit sein Eigentum vor Straftaten von Kunden, als auch vor eigenen Arbeitnehmern, schützen.

Der Arbeitgeber stellte dann im 3. Quartal 2016 einen Fehlbestand bei Tabakwaren fest. Er wertete daraufhin die Videoaufzeichnungen aus. Bei der Auswertung stellte er fest, dass die Arbeitnehmerin an zwei Tagen im Februar 2016 Gelder nicht in die Registrierkasse gelegt hatte. Er kündigte daraufhin das Arbeitsverhältnis fristlos. Die Arbeitnehmerin erhob Kündigungsschutzklage. Das Landesarbeitsgericht Hamm urteilte ebenso wie das Arbeitsgericht zugunsten der Arbeitnehmerin. Nach Auffassung des Landesarbeitsgerichts unterlag die Videoaufzeichnung einem Verwertungsverbot. Denn der Arbeitgeber hätte – so die Auffassung des Landesarbeitsgerichts – die Bildsequenzen unverzüglich, jedenfalls deutlich vor August 2016, löschen müssen. Insofern könnte er sich im Rahmen der fristlosen Kündigung nicht mehr auf das Videomaterial zur Begründung der Kündigung berufen.

Das Bundesarbeitsgericht sah die Sache anders. Nach der bisher lediglich vorliegenden Pressemitteilung war die Verwertung, soweit es sich um eine rechtmäßige offene Videoüberwachung gehandelt hat, zulässig. Der Arbeitgeber musste also das Bildmaterial nicht sofort auswerten. Er durfte solange damit warten, bis ein berechtigter Anlass bestand. Das Bundesarbeitsgericht vertrat die Auffassung, dass auch die seit dem 25.05.2018 geltende Datenschutzgrundverordnung einer gerichtlichen Verwertung der Daten der Arbeitnehmerin nicht entgegensteht. Im Ergebnis hat das Bundesarbeitsgericht die Klage an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen um die Frage zu klären, ob es sich um eine offene rechtmäßige Überwachung handelte. Im Ergebnis hat das Bundesarbeitsgericht vielen, insbesondere auch Datenschutzbeauftragten, eine Absage erteilt die vertreten hatten, dass auch rechtmäßig angefertigte Videos innerhalb weniger Tage gelöscht werden müssen.

Das Fazit:
Es ist stets im Einzelfall zu klären, ob die Videoaufzeichnung als rechtmäßig war oder eine unzulässige verdeckte Videoüberwachung vorliegt. Rechtmäßig angefertigte Videoaufzeichnungen dürfen nach der neuen Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts noch viele Monate später ausgewertet werden.