Wann ist das Abwarten des Trennungsjahres unzumutbar?
Regel: Verstreichen des Trennungsjahres
Die Scheidungsvoraussetzungen ergeben sich aus §§ 1565 bis 1568 BGB. Einziger Scheidungsgrund ist grds., dass die Ehe gescheitert ist. Nach dem Zerrüttungsprinzip ist die Ehe gescheitert, wenn die Lebensgemeinschaft nicht mehr besteht (sog. Diagnose) und nicht erwartet werden kann, dass die Ehegatten sie wiederherstellen (sog. Prognose). Schließlich wird das Scheitern der Ehe mit Ablauf eines Trennungsjahres vermutet.
Keine häusliche Gemeinschaft
Nach § 1567 BGB besteht keine häusliche Gemeinschaft und in der Regel keine eheliche Lebensgemeinschaft zwischen den Ehegatten, wenn sie getrennt leben und ein Ehegatte die häusliche Gemeinschaft erkennbar nicht herstellen will, weil er die eheliche Lebensgemeinschaft ablehnt. Dabei steht der gemeinsame Verbleib der Ehegatten in der Ehewohnung dem Getrenntsein nicht entgegen.
Der Ablauf des Trennungsjahres – das Getrenntleben – hat somit eine zentrale Bedeutung für die Annahme der Scheidungsvoraussetzungen.
Ausnahme: Unzumutbare Härte
Die Ausnahme bildet die sog. Härtefallscheidung. Umgangssprachlich wird sie auch als Blitzscheidung bezeichnet. Geregelt ist sie in § 1565 Abs. 2 BGB. Danach kann die Ehe auch geschieden werden, wenn „die Ehegatten noch nicht ein Jahr getrennt“ leben.
Voraussetzung ist jedoch, dass die Fortsetzung der Ehe für den Ehepartner eine unzumutbare Härte darstellen würde. Der Gesetzestext verlangt ein Gegenseitigkeitsverhältnis, nämlich, dass einerseits für den Antragsteller die Fortsetzung der Ehe eine unzumutbare Härte darstellen würde und andererseits die Gründe hierfür in der Person des anderen Ehegatten liegen.
Was bedeutet also „unzumutbare Härte“ und was sind Gründe in der Person des anderen Ehegatten?
Der Gesetzestext schweigt sich zu den Härtegründen aus. Zur näheren Einordnung kann die Rechtsprechung herangezogen werden.
Die Rechtsprechung zur Unzumutbarkeit
Vor Kurzem hat bspw. das OLG Zweibrücken (Beschl. v. 7.2.2024 – 2 WF 26/24) entschieden, dass eine Ehegattin, die aufgrund einer außerehelichen Beziehung ein Kind erwartet, keine unzumutbare Härte im Sinne des § 1565 II BGB begründen kann. Das Gericht lehnte die Härtefallscheidung insbesondere damit ab, dass die Schwangerschaft ein Umstand ist, der in der Person der Antragstellerin selbst begründet ist.
Das OLG Dresden (Beschl. v. 16.4.2012 − 23 UF 1041/11) sah die Voraussetzungen der unzumutbaren Härte bei wiederholten und schweren Drohungen als erfüllt an. Im Kern ging es um Aussagen wie „Ich bringe dich um! Du kommst nicht mehr lebend vom Hof!“ „Er,der Ehemann, habe alles so satt, er werde das Haus anzünden und alle umbringen.“
Das OLG Stuttgart hat eine unzumutbare Härte darin gesehen, dass der Ehemann seine hilfsbedürftige und schwer kranke Ehefrau (bösartiger Leberkarzinom; keine Heilungschancen; unsichere Lebenserwartung) dahin gehend im Stich gelassen hat, indem er in dieser Situation eine neue Beziehung zu einer anderen Frau öffentlich pflegte (Beschl. v. 17.9.2015 – 11 UF 76/15).
Ein abschließendes Beispiel aus der Rechtsprechung stammt vom Amtsgericht Ludwigsburg (Urteil vom 20. 7. 2006 – 1 F 50/06). Bereits wenige Monate nach der Eheschließung wurde die Ehefrau verhaftet, um eine achtmonatige Haftstrafe wegen Betrugs zu verbüßen. Die Ehefrau hatte ihren Ehemann nicht über die rechtskräftige Verurteilung und die drohende Inhaftierung informiert, sodass er von der Situation völlig überrascht wurde. Die Ehefrau hatte dem Ehemann bei der Heirat die anstehende Haftstrafe verschwiegen. Das Gericht sah darin eine Ausnahmesituation, die auch wegen der sehr negativen Außenwirkung einer Inhaftierung des Ehepartners das „Weiter-miteinander-verheiratet sein” für den Ehemann unzumutbar hart macht.
Fazit
Ob eine unzumutbare Härte vorliegt, hängt vom konkret zu beurteilenden Einzelfall ab. Die Hürden sind jedenfalls hoch und bedürfen einer sorgfältigen Einzelfallbetrachtung. Schließlich bestehen neben der sog. Härtefallscheidung auch weitere Instrumente, wie die (gerichtliche) Zuweisung der Ehewohnung oder auch Kontakt- und Annäherungsverbote, um Konflikten zu begegnen.